Goldsteiner Geschichten rund um das Hofgut Goldstein

Vor den Toren der Stadt Frankfurt, am Mainufer zwischen Niederrad und Schwanheim, lag im Mittelalter die Wasserburg Goldstein. Sie kam 1400 in den Besitz der Freien Reichsstadt Frankfurt, die die Burg zum Vorposten gegen das kurmainzische Höchst ausbaute. Die „Festung Goldstein“ wurde 1552 im Schmalkadischen Krieg zerstört und verfiel – nur der dazu gehörende Hof Goldstein überstand die Zeit und wurde von Pächtern bewirtschaftet. 1840 erwarb Gräfin Reichenbach-Lessonitz den Besitz und erweiterte ihn stark, indem sie das umliegende Gelände bis nach Niederrad und Schwanheim sowie die Flächen des ehemaligen Wiesenhofs aufkaufte. Ihre Tochter, Gräfin Bose, gab dem Hof um 1850 seine letzte, achteckige Form. Auch der Goldsteinpark entstand in dieser Zeit als Landschaftsgarten des 19. Jahrhunderts. Nach dem 1. Weltkrieg übernahm wieder die Stadt Frankfurt die Bewirtschaftung und setzte Verwalter ein, um die Produktion von Lebensmitteln zur Versorgung städtischer Krankenhäuser sicher zu stellen. Durch den Bau der Uferstraße, der Gründung der Goldsteinsiedlung und dem Bau der Bürostadt Niederrad ging nach und nach so viel Fläche verloren, dass der Gutsbestrieb ab den 1960er Jahren nicht mehr wirtschaftlich war und 1974 von der Stadt ganz aufgegeben wurde. Vom ursprünglichen Hofgut ist heute nur noch das ehemalige „Herrenhaus“ erhalten.

Federzeichnung von Friedrich Philipp Usener,
„Hof Goldstein bei Schwanheim“, 1832

Kurmainz und Frankfurt streiten um den Goldstein

Mitten durch das heutige Goldstein verlief einmal die Grenze zwischen der Freien Stadt Frankfurt und dem Kurfürstentum Mainz (Kurmainz). Höchst, Griesheim und Schwanheim sowie Niederrad und der Wiesenhof gehörten nicht zum Gebiet der Stadt Frankfurt. Auf der Karte kann mach die schwierige Lage des Hofgutes Goldstein erkennen.

Daraus ergaben sich zum Teil heftige Streitigkeiten über die genauen Grenzen des zum Hof Goldstein gehörenden Geländes, den Viehtrieb durch das jeweils „gegnerische Gebiet“ sowie die Nutzungsrechte am Wäldchen hinter der Wasserburg und das Fischereirecht im Schwarzbach. Diese Grenz- und Nutzungsstreitigkeiten zogen sich bin ins 19. Jahrhundert hin. Sie konnten erst 1826 durch einen Vertrag zwischen Frankfurt und dem damaligen Herzogtum Nassau, in dessen Hoheit der Bruch und das Dorf Schwanheim 1806 übergegangen war, grundlegend beseitigt werden. Damit waren erstmals die Goldsteiner und Schwanheimer Gebiete unter einer Herrschaft vereint.

Ausschnitt aus der Karte „Gebiet der Freien Stadt Frankfurt“, Johann Jakob Müller, 1802. Historisches Museum Frankfurt, C11987

Das Bruchland wird trocken – der Wiesenhof entsteht

Der um 1400 noch sehr wasserreiche Schwarzbach flutete die Gräben der Wasserburg und ermöglichte den Betrieb einer Getreidemühle, die die Schwanheimer 1451 mit Genehmigung der Stadt Frankfurt am Unterlauf des Schwarzbach errichteten.  Rund um die Wasserburg lag der Schwanheimer Bruch – ein nasses, sumpfiges Waldgebiet, das mehrere gemeinsame Eigentümer hatte. Zwischen den Hauptnutznießern dieses Bruchgeländes – dem Mainzer Erzbischof und der Stadt Frankfurt – wurde 1607 ein Vertrag geschlossen, der das Gelände zwischen den beiden Parteien aufteilte. Der Erzbischof ließ seinen Teil des Bruches durch Gräben entwässern und roden, so dass auf den gewonnenen Wiesen eine Meierei entstehen konnte. 

Herr Schüttenhelm und Herr Saueracker machen Blau

1776 pachtete der Frankfurter Handelsmann Carl Philipp Schüttenhelm einen Teil des Wiesenhof-Geländes und errichtete ein Laboratorium zur Herstellung von Farben und anderen chemischen Materialien. Das Laboratorium wurde „Salmiakhütte“ genannt. Ein weiteres-Laboratorium errichtete der Farbenfabrikant Johann Peter Saueracker 1782. Beide stellten vor allem „Berliner Blau“ her. Das war das erste Farbpigment, das künstlich erzeugt werden konnte. Es war von großer Bedeutung für die Ölmalerei und die Färbung von Stoffen, da es einfach herzustellen war und man damit das deutlich teurere Ultramarin und Lapislazuli ersetzen konnte. Für die Produktion wurden stickstoffhaltige tierische Produkte wie Blut, Klauen oder Wolle benötigt, sowie Pottasche. Als Nebenprodukt entstand Ammoniak, das zu Salmiak oder Hirschhornsalz weiterverarbeitet werden konnte.

Ausschnitt aus der Karte „Gegend von Frankfurt“, auch Thomas-Plan genannt. Heinrich Hugo Cöntgen, 1790. Historisches Museum Frankfurt C04559

Emilie sei Dank – der kleine Hof Goldstein wird zum großen Landgut

Um 1840 beschloss Emilie von Reichenbach-Lessonitz, in der Nähe von Frankfurt einen größeren, geschlossenen Grundbesitz zu erwerben. Sie kaufte den Hof Goldstein Jacob Grein ab, einem Frankfurter Bürger, der ihn seit 1818 besaß und bewirtschaftete. Damals gehörte zum Hof Goldstein eine Fläche von 180 Morgen Land, das sind etwa 0,45 Quadratkilometer. Die Gräfin vergrößerte diese stark, in dem sie das Gelände des Wiesenhofes sowie weitere umliegende Flächen in der Schwanheimer und Niederräder Gemarkung erwarb. Sie vereinigte den gesamten Grundbesitzt zu einem stattlichen Gut von 600 Morgen.

Wer war diese Frau?

Emilie von Reichenbach-Lessonitz war nicht von Geburt an adlig. 1791 wurde Sie als Tochter des Berliner Goldschmieds Johann Christian Ortlepp und dessen Frau Agnes Louise Sophie geboren. 1812 lernte der spätere Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel Sie in Berlin kennen und lieben. Sie wurde seine Mätresse. Er verlieh ihr nach seinem Regentschaftsantritt 1821 adlige Titel und erwarb für sie Güter in Mähren, um sie und die gemeinsamen 8 Kinder finanziell abzusichern. Nach dem Tod seiner Frau heiratete der Kurfürst Emilie in morganatischer Ehe. Das bedeutet, dass die aus dieser Verbindung entstandenen Kinder zwar legitim waren, aber keinen Rang in der Thronfolge und keinen Erbanspruch hatten. Der Kurfürst übersiedelte 1831 von Kassel nach Schloss Wilhelmsbad bei Hanau, später nach Frankfurt am Main. Hier erwarb er ein Palais in der Neuen Mainzer Straße. So kam auch Emilie von Reichenbach-Lessonitz nach Frankfurt. Sie starb am 12. Februar 1843 an einer Leberentzündung und wurde auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Ihre älteste Tochter Louise, spätere Gräfin Bose, übernahm das Hofgut und wurde eine bedeutende Mäzenin. Doch das ist eine andere Geschichte.

Emilie Ortlepp, Gräfin Reichenbach-Lessonitz
Bild von L. Grünbaum, ca. 1825

Luftbild Hofgut Goldstein, ca. 1929. Quelle: Institut für Stadtgeschichte

Gräfin Bose gibt dem Hof Goldstein ein neues Gesicht

Grundlegende Änderungen hatte bereits Jacob Grein bewirkt, der unter anderem das heute als „Herrenhaus“ bekannte Gebäude 1839 errichten ließ. Seine letzte, achteckige Form erhielt der Hof um 1850 durch das Wirken von Gräfin Bose, die das Hofgut von Ihrer Mutter geerbt hatte. Auch der Goldsteinpark entstand in dieser Zeit. 

Das Ehepaar Bose lebte in Wiesbaden, Baden-Baden und Frankfurt und plante, das Hofgut Goldstein als ländliches Refugium auszubauen. Weiter wollten sie die neuen Entwicklungen einer rationellen Bewirtschaftung selbst erforschen. Gräfin Bose ließ die Wassergräben der alten Wasserburg auffüllen, die mittelalterlichen Baureste planieren und eine neue Hofanlage auf der Grundlage des achteckigen Entwurfes bauen, der bereits von Jacob Grein geplant und beantragt worden war. Außerhalb der Hofanlage wurde 1845 ein Wohnhaus für das Ehepaar Bose errichtet. Es diente später als „Gaststätte Goldsteinpark“, die bis 1959 erhalten blieb.

Emilie Reichenbach-Lessonitz hatte um 1842 den damals noch unbekannten Frankfurter Gartenarchitekten Heinrich Siesmayer mit der Planung einer Parkanlage auf dem Gelände des Hofgutes beauftragt. 1843 verstarb sie und so vollendete Ihre Tochter, Gräfin Bose, das Vorhaben. Um 1846 entstand der Park im Stil eines Landschaftsgartens des 19. Jahrhunderts rund um das gräfliche Wohnhaus. Später wurde Heinrich Siesmayer berühmt als königlich-preußischer Gartenbaudirektor. Unter der Geländeerhöhung im südwestlichen Ende des Parks (das ist der „Rodel-Berg“ der Goldsteiner Kinder) befand sich ein Eiskeller. Hier wurde Eis aus dem zugefrorenen Main für den Gutsbetrieb gelagert. Über den wertvollen Baumbestand des Goldsteinparks, der heute leider durch den stark gesunkenen Grundwasserspiegel gefährdet ist, gibt das Frankfurter Baumkataster Auskunft.

Auf dem Luftbild ist die achteckige Hofanlage zu sehen. Das gräfliche Wohnhaus liegt links von der Hofanlage im Park.

Vom Hofgut zum Stadtteil

Seit dem Mittelalter wurde auf dem Hofgut Goldstein Landwirtschaft betrieben. Seit 1840 in größerem Maßstab als bisher: Gräfin Reichenbach-Lessonitz erwarb nicht nur das Hofgut sondern auch das umliegende Gelände zwischen Niederrad und Schwanheim: den Schüttenhelmschen Besitz und die übrigen Teile des ehemaligen Wiesenhofes, das Wiesenwäldchen, aus Schwanheimer Privatbesitz die Mühle am Schwarzbach mit den dazugehörenden Äckern sowie sonstige Liegenschaften. Damit vergrößerte sie die Gutsfläche von 180 auf 600 Morgen und schuf das zusammenhängende Gelände, auf dem später der Stadtteil und die Siedlung Goldstein entstehen konnten.

Auf der Rißzeichnung ist zu erkennen, wie groß die Gutsfläche ursprünglich war und wie viel Land für den Bau der Goldsteinsiedlung geopfert werden musste. Die schraffierten Flächen zeigen, was nach der Gründung der Goldsteinsiedlung 1937 noch vom Hofgut bewirtschaftet werden konnte. Von den ursprünglich 600 Morgen bleiben dem Hofgut noch ca. 400 Morgen. Durch den Ausbau der Uferstraße, dem Bau der Bürostadt Niederrad und der Siedlung Golstein-Süd gingen später weitere Flächen verloren.

Darstellung der vom Hofgut vor und nach 1937 bewirtschafteten Fläche. Quelle: Institut für Stadtgeschichte

Lebensmittel für Frankfurt

Seit 1909 gehörte der Hof Goldstein wieder der Stadt Frankfurt, die ihn zunächst an Pächter vergab. Während der Zeit des ersten Weltkriegs wurde jedoch die städtische Gutswirtschaft wieder eingeführt. Ziel war es, die Milch für Kinder, Kranke und stillende Mütter in bestimmtem Umfang sicherzustellen. Die Versorgung der städtischen Anstalten mit Gemüse, Kartoffeln und Fleisch kam später noch dazu. Durch den Bau der Siedlung Goldstein reduzierte sich ab 1937 die landwirtschaftliche Fläche von 600 auf 400 Morgen. Trotzdem wurde noch eine intensive Landwirtschaft von der Stadt betrieben. Angebaut wurde: Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais und Klee als Viehfutter, Kartoffeln, Futterrüben, Weißkraut für die Sauerkrautfabrik Holzhauer in Niederrad sowie Zuckerrüben für die Zuckerfabrik in Groß-Gerau. Neben der Feldwirtschaft gab es die Viehwirtschaft mit 400 Schweinen, 30 Milchkühen und 400 Hühnern. Auch der Nachwuchs – Fohlen, Ferkel, Kälber und Küken – wurden auf dem Hof gezüchtet. Zum Betrieb gehörte weiter eine Apfelbaumplantage mit ca. 130 Bäumen.

Quelle: Günther Behr, Frankfurt am Main, 2013. Günther Behr ist der Sohn des letzten Hofgut-Verwalters Alfred Behr.

Herrenhaus, ca. 1960. Im Hintergrund sieht man das Barackenlager am Main und die Staustufe. Quelle: Peter Keller

Ansicht der Hofanlage mit Blickrichtung Osten, ca. 1972. Im Hintergrund die Kläranlage und Niederrad. Quelle: Günther Behr

Ansicht der Hofanlage mit Blickrichtung Norden, ca. 1972. Im Hintergrund Griesheim. Quelle: Günther Behr